Studie belegt: Pestizidrückstände in der Luft weit verbreitet
Pestizide verbreiten sich kilometerweit durch die Luft und lassen sich praktisch überall in Deutschland nachweisen. Das belegt die bisher umfassendste Studie zur Pestizidbelastung der Luft, die das Umweltinstitut München gemeinsam mit dem Bündnis für eine enkeltaugliche Landwirtschaft im Jahr 2020 in Auftrag gegeben hat.
Pestizide verbreiten sich kilometerweit durch die Luft und lassen sich praktisch überall in Deutschland nachweisen. Das belegt die bisher umfassendste Studie zur Pestizidbelastung der Luft, die das Umweltinstitut München gemeinsam mit dem Bündnis für eine enkeltaugliche Landwirtschaft im Jahr 2020 in Auftrag gegeben hat.
In Deutschland werden jährlich im Durchschnitt mehr als 30.000 Tonnen Pestizid-Wirkstoffe ausgebracht. Und obwohl es immer wieder Hinweise darauf gibt, dass sich umwelt- und gesundheitsschädliche Ackergifte auch über größere Entfernungen hinweg vom ursprünglichen Einsatzort verbreiten, gab es dazu bisher keine umfassenden staatlichen Untersuchungen. Deshalb beauftragte das Umweltinstitut München gemeinsam mit den Bündnis für eine enkeltaugliche Landwirtschaft im Jahr 2019 das unabhängige Büro für Integrierte Umweltbeobachtung TIEM damit, an 116 Standorten in ganz Deutschland die Luft auf Pestizide zu untersuchen. Dafür wurden Passivsammler, Luftfiltermatten aus Passivhäusern, Baumrinde, und Bienenbrot aus Bienenstöcken verwendet. Außerdem flossen in die Studie Ergebnisse eines 2014 bis 2018 von TIEM durchgeführten Rindenmonitorings ein, bei dem ebenfalls Baumrinde auf Pestizidrückstände geprüft wurde. Damit ergab sich eine Gesamtzahl von 163 Standorten.
Die Ergebnisse sind besorgniserregend: In beinahe allen Proben wurden Rückstände von gleich mehreren Pestiziden gefunden – egal, ob sich ein Standort auf dem Land, im Nationalpark oder in der Stadt befand. Die wichtigsten Ergebnisse unserer Studie sind folgende:
Insgesamt fanden sich in den verschiedenen Sammelmedien 124 verschiedene Pestizidwirkstoffe sowie 14 Abbauprodukte von Pestiziden. Dabei sind einige Pestizide wie Glyphosat, Pendimethalin, Prosulfocarb, Terbuthylazin und Metolachlor besonders weit verbreitet. Sie fanden sich in über 80 Prozent der Passivsammler und waren auch in der Baumrinde und den Luftfiltermatten häufig nachweisbar. Diese Stoffe sind als problematisch bekannt: Pendimethalin und Prosulfocarb verursachen besonders oft Schäden auf Bio-Betrieben, weil sie über die Luft von konventionellen Ackern auf Bio-Acker transportiert werden, wodurch die dort wachsenden Kulturen mit Rückständen dieser Stoffe verunreinigt werden. Die Biobauern und – bäuerinnen können ihre Ernte dann nicht mehr als Bio-Ware verkaufen.
Metolachlor und Terbutylazin tauchen immer wieder im Grundwasser auf. Glyphosat, das mit Abstand am häufigsten eingesetzte Herbizid, das 2015 von der Weltgesundheitsorganisation als wahrscheinlich krebserregend eingestuft wurde, verbreitet sich an Staubkörnern haftend durch die Luft. Die für die Bewertung von Pestiziden zuständige Europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde EFSA behauptet von allen diesen fünf Stoffen, dass ein Ferntransport durch die Luft nicht vorkommt oder vernachlässigbar ist. Die Studie zeigt nun eindeutig, dass das nicht stimmt.
An rund drei Viertel aller untersuchten Standorte wurden jeweils mindestens fünf und bis zu 34 Pestizidwirkstoffe sowie -abbauprodukte gefunden. Bezüglich der Pestizidbelastung gab es große Unterschiede zwischen den vier verschiedenen Sammelmethoden. Lediglich in Bienenbrotproben wurden an einigen Standorten überhaupt keine Pestizidwirkstoffe gefunden. In den Passivsammlern wurden nirgends weniger als fünf der Stoffe nachgewiesen. Die Wechselwirkungen dieser Stoffe – der sogenannte Cocktaileffekt – auf den Menschen sind noch nahezu unerforscht. Die Ergebnisse der Studie legen nahe, dass selbst dort, wo keine Pestizide ausgebracht werden, mit einem Pestizidcocktail in der Luft gerechnet werden muss.
Auch an Standorten, die weit entfernt von potentiellen Einsatzorten waren, konnten mehrere Pestizidwirkstoffe nachgewiesen werden. Im Nationalpark Bayerischer Wald waren es fünf Ackergifte, auf dem Brocken im Nationalpark Harz zwölf. Auch in Städten wurden Pestizide nachgewiesen: In Berlin waren es 18 verschiedene Pestizidwirkstoffe bzw. Abbauprodukte, in München drei. Selbst hier lassen sich nahezu alle der nachgewiesenen Stoffe klar der landwirtschaftlichen Nutzung zuordnen. Nur zwei der 18 in Berlin gefundenen Stoffe, Glyphosat und Tebuconazol, sind auch für den Einsatz in Hausgärten zugelassen und nur Tebuconazol hat zusätzlich eine Zulassung als Holzschutzmittel.
Weitere Informationen und Quelle: Umweltinstitut München e.V.