Landgrabbing im wilden Osten

LPG-Nachfolgebetriebe und Investoren sichern sich große Ländereien in Ostdeutschland. Neue Studie des Thünen-Instituts bestätigt hohe Vermögenskonzentration in Händen einzelner Personen und Agrargesellschaften. AbL fordert Ende staatlicher Privilegien für Agrarfabriken und Förderung bäuerlicher Strukturen.

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Landgrabbing im wilden Osten

Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) sieht sich durch die aktuelle Studie des Thünen-Instituts zum Einstieg weiterer Investoren in große ostdeutsche Agrarunternehmen bestätigt im Widerstand gegen das staatlich gestützte Landgrabbing durch agrarindustrielle LPG-Nachfolgebetriebe, Ex-DDR-Kader und weitere Agrarindustrielle. Die in der DDR durch politischen Zwang geschaffene Struktur sei nach der Einheit bewusst durch Bundes- und Landesregierungen erhalten und ausgebaut worden, unter anderem durch die systematische Privilegierung der LPG-Nachfolgebetriebe bei Verpachtung und Verkauf riesiger staatlicher Flächenpools und durch massive Subventionierung. Der Aufbau einer bäuerlich strukturierten Landwirtschaft werde so bis heute systematisch verhindert – zu Lasten der ehemaligen LPG-Beschäftigten und der privaten Landwirte und infolgedessen auch von Wertschöpfung und Arbeitsplätzen in ländlichen Regionen. Dieser ersten Welle staatlich geförderten Landgrabbings folge nun eine zweite: Viele der so geförderten Inhaber großer Agrar-GmbHs bzw. nur scheinbarer „Agrargenossenschaften“ verkauften nun ihre Unternehmen oder Anteile an außerlandwirtschaftliche Investoren für deren Aufbau von Landbau-Konzernen, Biogas-Imperien und Mega-Tierfabriken.

Jüngstes Beispiel sei die Übernahme eines „erheblichen Pakets von Geschäftsanteilen“ der vorpommerschen Ducherower Agrar GmbH durch den Heizungs- und Biogas-Industriellen Martin Viessmann. Dieser Deal sei offenbar eingefädelt worden durch den GmbH-Geschäftsführer Eckhard Schröderl, laut „Spiegel“ zu DDR-Zeiten LPG-Leiter und und SED-Parteisekretär, der die „Landwirtschaftliche Produktions-Genossenschaft“ (LPG) nach der Wende „schnell und clever in Privateigentum überführt“ habe und dessen „Agrar GmbH“ nunmehr über drei Gesellschaften bürgerlichen Rechts throne, mit 6 „ehemaligen LPG-Genossen“ und rund 5.000 Hektar.

Als bekannt gewordene Beispiele für große außerlandwirtschaftliche Agrarinvestoren liste eine frühere Studie des Thünen-Instituts auf: den Möbelkonzern Steinhoff mit 20.000 ha, die JLW Holding (Lindhorst-Gruppe) mit 24.000 ha, die KTG Agrar mit 28.000 ha, die Tonkens Agrar mit 3.000 ha, die Südzucker mit 10.000 ha in Deutschland und 7.000 ha im Ausland, die „Wimex“ mit 7.000 ha, die Osterhuber Agrar mit 7.000 ha und 24.000 Rindern, den Ex-Fleischmanager Rodo Schneider mit 6.200 ha,  die Rethmann-Gruppe mit 6.500 ha, die Fiege-Gruppe mit 4000 ha und 5.500 Rindern und die AgroEnergy AG mit 4.150 ha. In letzter Zeit sind laut AbL auch die „Mac Agrar GmbH“ des hessischen Ex-Landhandels Roth oder die L.S.G.GmbH des ostholsteinischen Gutsbesitzers und Ex-Bankers Christian Heine ins Blickfeld geraten, ebenso offene oder heimliche Übernahme-Strategien großer LPG-Nachfolgebetriebe gegenüber benachbarten Agrarbetrieben. Die Thünen-Studie berichte bspw. über eine „Agrargenossenschaft“ mit 3 Führungskräften und mittlerweile mehr als 15.000 Hektar, die seit 2003 zwei Agrargenossenschaften und zehn GmbHs im Umkreis von 110 km übernommen habe.

Der ostdeutsche AbL-Sprecher Jörg Gerke verwies darauf, dass etliche dieser Investoren ihre Flächen ebenso wie die LPG-Nachfolger von der staatlichen Treuhand bzw. BVVG erhalten hätten. Beim Verkauf an externe Investoren hätte die von der Politik kontrollierte BVVG zudem mühelos eingreifen können, wenn sie denn gewollt hätte - z.B. durch die Kündigung der Pachtverträge.

Die Folgen dieser Förderung alter und neuer Agrarindustrieller seien dramatisch: Laut Thünen-Institut seien die Agrargesellschaften in den neuen Ländern je nach Region zu 20 bis 50% in der Hand nichtlandwirtschaftlicher Investoren. Aber auch viele LPG-Nachfolgebetriebe sind demnach „hochgradig auf wenige Personen konzentriert“, auch „unterstützt durch staatliche Regelungen (z.B. Altschuldenregelung, Flächenprivatisierung, Vermögensauseinandersetzung)“, „einzelne ortsansässige Personen“ verfügten inzwischen über „sehr große Vermögensanteile“. „Der vor allem in Mecklenburg-Vorpommern geäußerten Befürchtung einer Rückkehr zu Strukturen, die sich dem Großgrundbesitz im 19. Jahrhundert annähern“, könne man – so die Autoren der Studie – „nicht gänzlich widersprechen“.

Die aktuell geäußerte Besorgnis der Bundesregierung und der Bauernverbandsspitze, so Gerke, beziehe sich aber nicht auf diese laufende Agrarindustrialisierung, sondern sei lediglich eine weitere Lobby-Politik zugunsten großer LPG-Nachfolgebetriebe, die auf „ihren“ Pacht- und Bodenmärkten keine Konkurrenz durch außerlandwirtschaftliche Investoren haben wollten. Auch zu Zeiten niedrigerer Bodenpreise habe dieses Landgrabbing ungehemmt stattgefunden.

Die AbL forderte Bundes- und Landespolitiker auf, ihre bisherige Stützung von Agrarindustrie-Konzernen in Ost- und auch in Westdeutschland zu beenden und den Aufbau bäuerlicher Strukturen voranzubringen – bei der Vergabe von Flächen sowie durch die Kappung von Flächenprämien oberhalb von 150.000 Euro pro Betrieb und die gezielte Förderung von Arbeit und ökosozialen Leistungen auf Bauernhöfen. Dafür setzten sich mittlerweile in vielen ostdeutschen Regionen starke Bürgerinitiativen des Netzwerks „Bauernhöfe statt Agrarfabriken“ ein. Gerade die ostdeutschen Dörfer bräuchten keine regions-schädliche Agrarindustrie, sondern vielfältige bäuerliche und mittelständische Strukturen mit artgerechter Tierhaltung und mit vielen sinnvollen Arbeitsplätzen. Bäuerinnen und Bauern braucht das Land.

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