Haltung von Mastschweinen verstößt gegen Tierschutzgesetz und Verfassung

Die Haltungsvorschriften in der Schweinemast verstoßen gegen das Tierschutzgesetz und sind verfassungswidrig. Zu diesem Schluss kommt ein von Greenpeace beauftragtes Rechtsgutachten der Hamburger Anwälte Davina Bruhn und Ulrich Wollenteit. Die zugelassenen Haltungsbedingungen fügen den Tieren Schmerzen, Leiden und Schäden zu.

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Haltung von Mastschweinen verstößt gegen Tierschutzgesetz und Verfassung

Greenpeace: Agrarminister muss Anforderungen dringend verschärfen

Die Haltungsvorschriften in der Schweinemast verstoßen gegen das Tierschutzgesetz und sind verfassungswidrig. Zu diesem Schluss kommt ein von Greenpeace beauftragtes Rechtsgutachten der Hamburger Anwälte Davina Bruhn und Ulrich Wollenteit (Link zum Gutachten: https://www.greenpeace.de/publikationen/rechtsgutachten-konventionellen-schweinemast). Die zugelassenen Haltungsbedingungen fügen den Tieren Schmerzen, Leiden und Schäden zu. Dadurch wird geltendes Recht und das im Grundgesetz festgehaltene Staatsziel Tierschutz missachtet. Die Anwälte halten es aus Rechtsgründen für zwingend geboten, die zuständige Nutztierhaltungsverordnung (TierSchNutzV) zu ändern. „Das Bundeslandwirtschaftsministerium muss die Haltungsvorschriften dringend verschärfen und das Leiden in den Ställen beenden“, sagt Stephanie Töwe, Greenpeace-Landwirtschaftsexpertin. „Die Haltung muss den Bedürfnissen der Tiere angepasst werden – nicht die Tiere den Haltungsbedingungen.“

Jeder Halter muss laut Tierschutzgesetz dafür sorgen, dass die Tiere sich artgemäß bewegen können und nicht leiden müssen. Umfangreiches Bildmaterial aus deutschen Tierställen, das Greenpeace vorliegt, belegt jedoch die schockierende Praxis: Schweine, die zentimetertief in ihrem eigenen Kot stehen, die zum Teil blutige Verletzungen tragen, mit deutlichen Verhaltensstörungen wie Stangenbeißen, Leerkauen oder dem trauernden Hundesitz. Viele Tiere leiden an Klauen- und Gelenkerkrankungen sowie Herz-Kreislauf- und Lungenkrankheiten.

Freiwillige „Tierwohl“-Maßnahmen bleiben wirkungslos

Grundsätzliche Verbesserungen scheitern seit Jahren am Widerstand von Agrarminister Christian Schmidt (CSU). Sein Argument: Mehr Tierwohl verursache zu hohe Kosten und überfordere die Bauern. Dabei verlangen sowohl Verbraucher als auch zahlreiche Bauern längst bessere Bedingungen in der Tierhaltung. So genannte freiwillige „Tierwohl“-Label bleiben jedoch aussage- und wirkungslos. „Die Schaffung freiwilliger ‚Tierwohl-Initiativen‘ entbindet den Verordnungsgeber nicht von seiner Verpflichtung, die Haltungsvorgaben – und zwar verbindlich – zu verschärfen. Solange die Verordnung materiell-rechtliche Vorschriften des Tierschutzrechts missachtet, liegt hierin nicht nur ein Verstoß gegen Bundesrecht, sondern auch gegen Art. 20a GG.“, sagt Anwältin Dr. Davina Bruhn.

Weit besser als in Deutschland sieht es beispielsweise in Schweden, der Schweiz und Österreich aus. Dort fordert der Staat deutlich bessere Ausstattungen der Stallanlagen bei Tageslicht, Stallaufteilung, Spiel- und Wühlmaterial, Bodenbeschaffung und Kühlungsmöglichkeiten.

Kurze Zusammenfassung und Ergebnisse der Greenpeace-Studie

1. Die in §§ 21- 30 TierSchNutztV zugelassene Haltung von Mastschweinen wird der Art und den Bedürfnissen der Schweine nicht gerecht und verstößt damit gegen die in § 2 Nr. 1 TierSchG verankerte Pflicht zu einer angemessenen Ernährung, Pflege und verhaltensgerechten Unterbringung. Die zugelassene Haltung von Mastschweinen fügt den Tieren aufgrund der massiven Einschränkung ihrer Bewegungsfreiheit Schmerzen, Leiden und Schäden zu, indem ihnen ein Lebensraum vorenthalten wird, der ihren physiologischen und ethologischen Bedürfnissen angemessen ist und verstößt damit auch gegen § 2 Nr. 2 TierSchG.

2. Die nach der TierSchNutztV geltenden Bestimmungen bzgl. der Haltung von Mastschweinen stehen somit im Widerspruch zu den Vorgaben des TierSchG und sind daher bundesrechtswidrig. Eine Anderung ist damit aus Rechtsgrün-den zwingend geboten.

3. Die nach der TierSchNutztV geltenden Bestimmungen bzgl. der Haltung von Mastschweinen sind wegen Verstoßes gegen Art. 20a GG verfassungswidrig.

4. Die Vorgaben der seitens des Handels ins Leben gerufenen „Initiative Tier-wohl“ genügen den Anforderungen des Tierschutzgesetzes ebenfalls nicht.

5. Sofern das Kastrieren junger Ferkel routinemäßig bis Ende 2018 ohne Betäubung erfolgt, ist hierin ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und damit gegen Art. 20a GG zu erblicken. Das routinemäßige Schwanzkürzen bei Ferkeln lässt sich nicht mit Anh. I Kap. I Nr. 4 RL 2008/120/EG vereinbaren. Erst wenn das Schwanzbeißen trotz einer signifikanten Verbesserung der Haltungsbedingungen auftritt und zu Verletzungen anderer Tiere führt, ist der Eingriff im Einzelfall zuzulassen.

6. Eine Verschärfung der Haltungsvorgaben würde nicht gegen Unionsrecht verstoßen. Die aktuellen gemeinschaftsrechtlichen Richtlinien zur Schweinehaltung statuieren lediglich Mindestnormen, die durch den nationalstaatlichen Gesetz- oder Verordnungsgeber verschärft werden dürfen.

7. Auch würden die Tierhalter durch eine Verschärfung der Haltungsvorgaben nicht in ihrem Grundrecht aus Art. 12 GG verletzt. Verfassungsrechtliche Ein-wände gegen eine tierschutzgerechte Neuregelung der Schweinehaltung in der TierSchNutztV, die mit den materiell-rechtlichen Vorgaben in §§ 2a, 2 TierSchG im Einklang steht, erscheinen schon im Ansatz schwer vorstellbar, da sich insoweit verfassungsrechtliche Argumente im Grundsatz direkt gegen das ermächtigende Gesetz, also §§ 2a, 2 TierSchG, richten müssten. Die Be-rufsfreiheit in Art. 12 GG ist aber auch nicht verletzt, wenn man eine Verschärfung der Haltungsbedingungen anhand der üblichen Prüfungsmaßstäbe einer verfassungsrechtlichen Kontrolle unterzieht.

8. Ein Verstoß gegen die Eigentumsgarantie in Art. 14 GG ist ebenfalls nicht zu erkennen. Die allein in Betracht kommende Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums ist bei angemessener Übergangsfrist von den betroffenen Haltern entschädigungslos hinzunehmen.

9. Die §§ 21-30 TierSchNutztV können nicht mittels der Verbandsklage angegriffen werden. Die Vorschriften unterliegen aber prinzipiell der abstrakten Normenkontrolle nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG, §§ 13 Nr. 6, 76 ff BVerfGG. Auf Antrag der Bundesregierung, einer Landesregierung oder eines Viertels der Mitglieder des Bundestages hat das Bundesverfassungsgericht die Möglichkeit, die §§ 20-31 TierSchNutztV für nichtig zu erklären.

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