Am 13. März entscheidet das Europäische Parlament, ob vor allem die Agrarindustrie weiter mit Subventionen gemästet wird oder ob weit mehr Gelder in eine nachhaltige und bäuerliche Landwirtschaft fließen.
Es geht um Milliarden
Jedes Jahr fließen knapp 60 Milliarden Euro EU-Mittel in die Landwirtschaft – das sind 100 Euro des Steuergeldes eines/r jeden Bürger/in. Agrarminister Dacian Ciolos will die Vergabe dieser Gelder grüner und gerechter gestalten. Er ist der Meinung, dass die Gelder nur an Landwirte fließen sollen, wenn sie zu einem ökologischen und gesellschaftlichen Mehrwert führen, wie etwa der Sicherung der Artenvielfalt, der Bodenfruchtbarkeit und der Verhinderung des Höfesterbens.
Ciolos Vorschläge: Grüner
30 Prozent der Zahlungen soll an drei einfache Umweltauflagen gebunden werden. So will man alle Bauern europaweit dazu bewegen, umweltschonender zu wirtschaften:
- Die landwirtschaftlichen Betriebe (ab drei Hektar) müssen mindestens drei verschiedene Feldfrüchte im Jahr anbauen, wobei eine Frucht bis zu 70 Prozent der Ackerfläche ausmachen kann.
- Dauergrünland muss erhalten werden (bis auf fünf Prozent der Grünlandfläche) und darf nicht zu Ackerland umgebrochen werden.
- Sieben Prozent der Ackerfläche eines Betriebes wird als ökologische Vorrangfläche genutzt. Beim Nichteinhalten dieser drei Umweltstandards sollen die Beihilfen an die Betriebe um mehr als die 30 Prozent gekürzt werden.
Ciolos Vorschläge: Gerechter
Bisher fließen ein Drittel der Subventionen in gerade einmal 1,5 Prozent der Betriebe, während sich die Hälfte der Bauern mit weniger als 5.000 Euro im Jahr begnügen muss. Denn die Zahlungen werden pro Hektar ausgeschüttet. Die Folge: Je größer der Hof, desto mehr Geld gibt es. Um die Mittel gerechter zu verteilen, will Dacian Ciolos die Zahlungen ab 150.000 Euro pro Betrieb stufenweise kürzen. Einzelbetriebe sollen nur noch maximal 300.000 Euro pro Jahr an Beihilfen bekommen.
Die Umwelt- und alternativen Bauernverbände loben die Richtung, die Dacian Ciolos mit seinen Reformen einschlägt. Allerdings gehen ihre Forderungen in vielen Punkten weiter. Dennoch: Die Agrarindustrie-Lobby läuft schon gegen diese sanfte Agrarwende Sturm. Bei den Landwirtschaftsminister/innen der Mitgliedstaaten machen sie all ihren Einfluss geltend. Und jetzt wissen wir, wie sehr sie auch den Agrarausschuss des Parlaments in ihrer Hand haben.
Lobby-Alarm im Agrarausschuss
Im Januar hat der Agrarausschuss dem EU-Parlament erschreckend schlechte Vorschläge vorgelegt. Unzählige Ausnahmen sollen gelten, damit die Landwirte sich um verpflichtende Umweltauflagen drücken können. Sie könnten sich von den Auflagen sogar freikaufen. Die Mehrheit im Ausschuss will die Flächen, die nur ohne Pestizide und im Sinne der Artenvielfalt bewirtschaftet werden, auf über die Hälfte zusammenkürzen. Monokulturen blieben nach ihrem Willen auf 80 Prozent der Ackerflächen möglich. Die Lobby der Agrarindustrie hat sich hier auf breiter Linie durchgesetzt.
Dabei lag die Hoffnung vieler Bürger/innen und Beobachter/innen darin, dass die Lobbyinteressen bei dieser Agrarreform zurückgedrängt werden könnten. Erstmals müssen sich die Agrarminister mit dem Parlament einigen, also mit unseren direkt gewählten Vertreter/innen. Umso enttäuschender, dass jetzt der federführende Ausschuss des Parlaments in allen Punkten vor der Lobby der Agrarindustrie eingeknickt ist.
Agrarwende ja oder nein? Am 12. März wird entschieden
Die 754 Abgeordneten des EU-Parlaments können die Agrarwende noch möglich machen. Am 12./13. März werden sie über das Papier des Agrarausschusses zur Gemeinsamen Agrarpolitik abstimmen. Die 99 deutschen Abgeordneten unter ihnen haben gemeinsam mit den Franzosen ein starkes Gewicht. Mit unserem Appell wenden wir uns an alle deutschen Abgeordneten mit Ausnahme der Grünen, da diese unseren Forderungen bereits entsprechen. Bürger/innen in Frankreich schicken die selben Forderungen an ihre Abgeordneten.
Nach der Abstimmung im EU-Parlament müssen die Beschlüsse zwischen der Kommission, dem EU-Parlament und dem Ministerrat verhandelt werden. Fordern Sie jetzt von Ihren Abgeordneten, die Agrarwende einzuläuten.