Ärzteinitiative gegen Keime aus Massentierhaltung

Bundesweite Ärzte-Initiative startet Kampagne gegen antibiotika-resistente Keime aus Massentierhaltung

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Ärzteinitiative gegen Keime aus Massentierhaltung

Eine bundesweite „Ärzte-Initiative gegen Massentierhaltung“ hat in Hannover gemeinsam mit Tierärzten eine Kampagne gegen das massive Vordringen antibiotika-resistenter Keime auch „aus agrarindustriellen Tierhaltungsanlagen mit ihrem systemimmanenten Einsatz von Antibiotika“ eröffnet. Mehr als 250 Erstunterzeichner eines „Positionspapiers gegen Massentierhaltung“ aus allen Bereichen des Gesundheitswesens fordern eine tiergerechte Haltung in bäuerlichen Betrieben, schärfere Kontrollen und Sanktionen beim Antibiotika-Einsatz, die Reservierung wichtiger Reserve-Antibiotika für die Humanmedizin und eine verstärkte Forschung gegen multiresistente Erregern.

Die Bremer Internistin Dr. Imke Lührs verwies auf die oft vergeblichen Versuche, das Leben und die Gesundheit von immungeschwächten Patienten zu retten, zumal neue Antibiotika nicht zu erwarten seien. Ein zunehmender Teil der antibiotika-resistenten Keime stamme aus der Massentierhaltung, wo bei der „Haltung von zu großen Tierzahlen auf zu engem Raum“ die „Grenzen zwischen Metaphylaxe, Therapie und Mastförderung“ fließend seien. Die Arzte-Initiative werde Verbraucher und Patienten über die Ursachen und die Übertragung antibiotikaresistenter Erreger durch Fleisch, Stall-Abluft, Gülle oder Tiertransporte informieren. Man werde die Proteste von Initiativen gegen Massentierhaltung unterstützen und mit kritischen Tierärzten eng zusammenarbeiten.

Martin Eikenberg, Institutsdirektor für Hygiene im Klinikum Bremen-Mitte, berichtete eindrucksvoll über die erheblichen Belastungen der Patienten und auch des Personals und die damit verbundenen hohen Kosten, die durch die Isolation der Patienten oder durch Verschiebungen von Operationen entstünden - während sich gleichzeitig in der Tierhaltung und in der Lebensmittelkette die antibiotika-resistenten Keime wie MRSA oder ESBL weiter verbreiten könnten.

Veterinär-Professor Dr. Siegfried Ueberschär, einer der Unterzeichner des Positionspapiers des „Tierärztlichen Forums für verantwortbare Landwirtschaft“, hält industrialisierte Landwirtschaft und Massentierhaltung mit ihren systembedingten „negativen Auswirkungen auf Gesellschaft und viele Bereiche der Umwelt“ zunehmend „nicht mehr vereinbar mit tierärztlichen Grundsätzen“. Er warnte davor, dass die durch einen verantwortungslosen Einsatz von Antibiotika verursachte Resistenzproblematik bei immer mehr Bakterienarten so dramatisch sei, dass „Antibiotika demnächst als Waffe gegen bakterielle Infektionen für Menschen und Tiere nicht mehr zur Verfügung stehen“ würden. Er forderte verbesserte Tierhaltungsbedingungen, deutliche Veränderungen bei Einsatz und Kontrolle von Antibiotika sowie verstärkte Veterinäramts-Kontrollen ohne politische Einflussnahme.

In ihrem Positionspapier weist die Arzte-Initiative darauf hin, dass in Gegenden mit einer hohen Dichte von Massentierhaltungsställen bereits bis zu 30% der MRSA-Keime bei Hochrisikopatienten aus dem Bereich von Landwirten, Agrar-Beschäftigten , Schlachthofpersonal und Tierärzten stammten. Das Auftauwasser von Tiefkühlgeflügel oder frisches Hähnchen- und Putenfleisch seien zwischen 22 und 42% mit ESBL- oder MRSA-Keimen befallen. Antibiotika erhielten 76% der Schweine und 83% des Mastgeflügels, „hier sogar mehrfach und über ein Viertel der Lebensdauer dieser Tiere, was einer 20jährigen Dauermedikation beim Menschen entspräche“. Die Landwirte stünden unter großem Kostendruck und seien in Abhängigkeiten von der Futtermittelindustrie und den Großschlachthöfen. Der Antibiotikaverbrauch in der Tiermedizin werde in Deutschland erst seit 2011 erfasst und werde – bei einer großen Dunkelziffer – für 2011 auf 1.706 Tonnen beziffert: „Die Eigenschaft der ESBL-Keime und der vancomycin-resistenten Enterokokken, ihre Resistenz auf andere Bakteriengruppen übertragen zu können, macht die Situation brandgefährlich.“

Hier das Positionspapier der Arzteinitiatve, das noch weitere Unterzeichner sucht!


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