Umgang mit Kritik

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Süddeutsche Zeitung, 09.02.17 - Stephan Radomsky:
UMGANG MIT KRITIK
Raus aus der Schmollecke

… Ein paar neu zusammengereimte „Bauernregeln“ aus dem Umweltministerium gefallen dem Landwirtschaftsminister von der CSU so gar nicht. Eine „pauschale Diffamierung der Bauern“ erkennt er in Sprüchen wie „Steht das Schwein auf einem Bein, ist der Schweinestall zu klein“. Und statt sich kurz zu ärgern oder, besser noch, einfach zu schmunzeln, fordert Schmidt eine Entschuldigung von SPD-Umweltministerin Barbara Hendricks.

Das alles ist maßlos übertrieben, sowohl in der Sache als auch im Ton – selbst in Anbetracht des beginnenden Bundestagswahlkampfs. Vor allem aber schadet es den Landwirten und auch Schmidt selbst, der sich als ihr Sprachrohr versteht. Das Gepolter erzeugt zwar Aufmerksamkeit. Allerdings vor allem für die gereimten Zweizeiler, die angesichts der Anwürfe nur noch lustiger wirken. Schmidt dagegen, so wirkt es, hat einfach keinen Humor. Schon gar nicht dann, wenn der Witz möglicherweise auf seine Kosten geht.

Wer derart auf eine inhaltlich nachvollziehbare und sogar leidlich witzig verpackte Kritik reagiert, wirkt wenig souverän. (…)

Sich selbst weniger ernst zu nehmen, bedeutet freilich nicht, jede Beschimpfung lächelnd hinzunehmen. Politiker und Parteien müssen sich genauso wie Unternehmen gegen ungerechte Kritik und Beschimpfungen abgrenzen. Entscheidend ist in dieser Auseinandersetzung aber die Verhältnismäßigkeit, gerade wenn sie öffentlich geführt wird. (…)

Das Gegenteil erreicht der Landwirtschaftsminister, wenn er ein paar recht harmlos umgedichtete Zweizeiler zum Generalangriff auf die Landwirte adelt, die übrigens in keiner der „Bauernregeln“ erwähnt werden. Von der inhaltlichen Kritik soll abgelenkt werden, Inhalte und Argumente einer sinnvollen und nötigen Diskussion sollen im Getöse untergehen. Mag sein, dass Schmidt und seiner Klientel das im Wahlkampf ganz recht ist. Unklug ist es trotzdem. Sie würgen zwar die missliebige Diskussion um Massentierhaltung und überdüngte Böden, über Monokulturen und Artenschutz vorerst ab. Zugleich aber vergiften sie damit auch das Klima dieser ohnehin höchst aufgeladen Debatte weiter.

Das schreckt nicht nur die Gemäßigten ab, es ermutigt zugleich die Pöbler und Hetzer.

F.A.Z.-  08.02.2017 – Jan Grossarth:
Die Schuld vom Lande
Kommentar - Von Jan Grossarth

Harmlose Verse reichen, und maßloser Zorn gegen „Eliten“ bricht unter Bauern und Union aus.

(…) Erst der Ton, den die Agrarier wählten, machte die Posse zu einem Thema – zu einem Lehrbuchstück über die Krise der öffentlichen Kommunikation und die Schamlosigkeit, Fakten nach Gutsherrenart zu ignorieren. (…)

Unterdessen führt die Art und Weise der Industrialisierung der Landwirtschaft zu ungebremstem Höfesterben. Die Bauernverbände haben keine Ideen, wie sie sinnvoller ablaufen könnte. Zugleich kultivieren sie ihr stolzes Selbstbild, was mit der Realität schwer in Einklang zu bringen ist. Darin kommen nicht vor: der dramatische Artenschwund und die perverse Tierzuchtindustrie, in der das kranke Tier nicht nur eine Ausnahme ist. Auch nicht die Tatsache, dass aus Bauern Lieferanten geworden sind. Sie liefern Milch, Weizen und Schwein für kühl rechnende Handelsketten ab und haben wenig Macht für unternehmerische Gestaltung. Die Landwirtschaftslobby fokussiert auf „Eliten“ statt auf Probleme. So schafft sie alternative Fakten. Das ist bequem, aber verantwortungslos. Kein Funktionär sprach ein mäßigendes Wort.

http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik/lebensmittel/streit-um-werbekampagne-die-schuld-vom-lande-14866356.html

http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik/lebensmittel/provokative-plakate-die-armen-bauern-14867680.html

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